Im vorigen Jahr führten DI Stefan Zoister, Thomas Kneißl, Roland Groll und Stephan Binder am Dachsteingletscher Belastungstests im Zusammenhang bei Spaltenbergungen mit Dyneemaleinen und Einfachseilen durch. 

Nach den Auszugsversuchen von Pickelverankerungen im Altschnee im Jahr 2016 (und den ernüchternden Werten) war für uns insbesondere die auftretende Kraft an der Verankerung während der Bergung die zentrale Frage. Weiters wollten wir wissen, ob sich durch den Einsatz unterschiedlicher Materialien (Dyneemaleine vs Einfachseil) bei gleicher Rettungstechnik unterschiedliche Werte auf die Verankerung ergeben.

Facts:

Altschneedecke, ca. 45 cm, Pappschnee, ca. 8 Meter tiefe Spalte, senkrecht, im Mittelteil überhängend, Spaltenrand leicht überwächtet, 

Gewicht: Bergesack mit Schnee befüllt (80,5 kg)

Bergung: Expressflaschenzug oder Seilrollenflaschenzug mit und ohne Bremsknoten. 

Material: Dyneemaleine 6mm, Einfachseil 9,2mm, Micro Traxion, T-Bloc, Dyneemareepschnüre

Testserie:

Gleich zu Beginn lasen wir schon die ersten hochinteressanten Werte vom Display der digitalen Kraftmessdose (1/1000s) ab. Nämlich, dass bei frei hängendem Bergesack weit weniger Kraft an der Verankerung ankam, als wir vermuteten. Von den 80,5 kg kamen bei der Dyneemaleine 57 kg und beim Einfachseil 62 kg an der Verankerung an. Diese Werte ergeben sich durch die Reibung am Spaltenrand und durch den Einschnitt im Pappschnee. Da die 6 mm Leine tiefer eingeschnitten war kam auch weniger Kraft an der Verankerung an. Das Einfachseil war weniger weit eingschnitten, deshalb wirkte hier mehr Kraft auf den T-Anker. 

Umgekehrt verhielt es sich dann bei der Bergung. Grob gesagt: Je tiefer eingeschnitten, desto höher die Kraft an der Verankerung bei der Bergung. Aber auch hier lasen wir Werte vom Display ab, die uns sehr zuversichtlich stimmten. Bei der Dyneemaleine wirkten knappe 100 kg auf die Verankerung – beim Einfachseil um ca. 15 % weniger. (Expressflaschenzug ohne Bremsknoten, Micro Traxion in der Verankerung). 

Bremsknoten? Das wollten wir natürlich auch wissen. Da bei den Flaschenzügen die Bremsknoten durch die Schneedecke wieder „zurückgerissen“ werden müssen, erwarteten wir schon deutlich höhere Zahlen. Aber auch hier zeigte uns das Display unerewartete moderate Werte. Bei allen Versuchen – egal ob Seilrollen- oder Expressflaschenzug (mit Micro Traxion in der Verankerung) – kamen wir nur einmal auf 145 kg (Kraft an der Verankerung). In der Regel lasen wir einen Wert von +/- 120 kg vom Display ab. 

Resume:

Die bei den Auszugsversuchen der Pickelverankerung im nicht mehrjährigen Schnee ermittelten Zahlen (Testserie 2016) veranlassten uns zu dieser Testreihe. Die durch die Versuche gewonnenen Werte lassen uns allerdings wieder zuversichtlich auf den T-Anker mit Führerpickel blicken. Ob für die Bergung ein Einfachseil oder eine Dyneemaleine verwendet wird, darf für einen sauber und ordentlich gesetzten T-Anker keine Rolle spielen. Grob über den Daumen gepeilt wird die Verankerung bei Verwendung eines Einfachseiles im Zuge der Bergung mittels Flaschenzugs um ca. 15 % weniger belastet. Der Grund dafür dürfte aus unserer Sicht zwei Ursachen haben. 

  1. Die 6 mm Leine ist tiefer eingeschnitten, folglich mehr Reibung im Schnee. 
  2. Das Einfachseil ist dynamisch. Beim Raufziehen des Gewichtes wirkt die Seildehnung, die noch „herausgezogen“ werden muss bis die ganze Kraft des Retters wirkt. Während bei der hyperstatischen Dyneemaleine die aufgewendetet Kraft des Retters sofort übertragen wird.

Was wir bislang ein wenig unterschätzt hatten war die Reibung durch die eingeschnittenen Seile im Schnee. Für die Bergung der 80,5 kg – insbesondere bei leicht ansteigendem Gelände – sind 4 Hände von Vorteil und manchmal sogar notwendig. 

Die von uns ermittelten Erkenntnisse können nur grobe Richtwerte sein. Für wissenschafltlich fundierte und redundante Zahlen würde es eine Vielzahl von Testserien an verschiedenen Standorten zu immer anderen Bedingungen bedürfen. Je nach Schneeart, Gelände, Gewicht, Material, etc. können natürlich auch weit höhere Kräfte an der Verankerung entstehen, die uU auch zum Versagen derselben führen können. Die Ergebnisse unserer Versuchserie können somit nur informativen Charakter haben. 

Steph – VE Bergführer


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